Meine Bohemian Rhapsody
1986, Waldbühne, die glutrote Junisonne geht schräg links hinter der Bühne unter. Freddie Mercury biegt sich mit seinem Mikro-Ständer am Bühnenrand und schraubt seine Stimme in die warme Abendluft.
Ich war dabei. Schon eingeheizt von Craaft und Marillion brachte Queen uns die „Magic Tour“ und mir die Erinnerung an eines der größten Rockkonzerte. Für 20,- DM erlebte ich eine Nacht, in der wir in der ausverkauften Waldbühne bei „Who Wants to Live Forever“ an den Lippen von Freddie klebten, jedes Gitarrenriff von Brian May in der „Bohemian Rhapsody“ mit der Luftgitarre mitspielten, den unvergleichlichen Bass-Lauf von „Another One Bites the Dust“ mitnickten und das Schlagzeug bei „We Will Rock You“ stampften und klatschten.
Und jetzt der Film dazu. Im Kino 1 vom Zoo Palast. Nach meinem Geschmack angemessen für die Musikgiganten. Großer, ausverkaufter Saal, klassische rotplüschige Sessel und anspruchsvolle Atmosphäre. Sehr viele Besucher sehen so aus, als hätten sie Queen auch live erlebt. Also wir um die 60.
Nach der obligatorischen Werbung (ich sehe mir gute Werbetrailer übrigens gerne an), die erste Überraschung. Ein Freddie-Verschnitt springt vor den Vorhang und will uns rocken. Kurze Irritation – aber er macht’s nicht schlecht, das Publikum ist gutwillig und so werden wir eingestimmt auf 120 Minuten Queen-Geschichte.
Und einen weiteren Vorteil kann der Zoo Palast ausspielen. Eine starke Sound-Anlage: Queen rockt, aber die Dialoge muss ich auch nicht erraten.
Es dauert nicht lange und der Film zieht mich hinein. Nur am Anfang kommt mir Freddie etwas fremd vor. Aber die vorstehenden Schneidezähne und überhaupt die Gesamterscheinung passen schon zu den frühen Jahren. Der junge Brian May könnte es selber sein. Ich stehe im Leben von Queen, auch, weil immer nur wenige Minuten vergehen, bis einer der original Giganten-Songs perfekt performt wird. Ich fühle die späten 70er und frühen 80er Jahre, ich bin wieder mit meinen Gefühlen in der Waldbühne. Ich erlebe, wie sich aus den Anfängen einer Amateurband eine der erfolgreichsten Rockbands entwickelt. Mit allen Höhen und Tiefen.
Aber ich will auch ehrlich sein. Es ist ein Musik-Film und kein oscarträchtiger Charakterfilm. Die Aids-Erkrankung wird nur kurz thematisiert, die Zerrissenheit der sexuellen Orientierung nicht besonders facettenreich gespielt. Trotzdem läuft mir ein Tränchen über die Wange, als er Frieden mit seinem konservativen Vater schließt und „Who Wants to Live Forever“ erklingt. Ich find’s immer ein bisschen peinlich, aber ich bin bei Weitem nicht der Einzige.
Fulminanter Abschluss ist der Queen-Auftritt beim Live-Aid-Konzert. Perfekter Sound, echte Queen-Schauspieler und Kino-Applaus. Gibt‘s auch nicht immer.
Mein Tipp für alle grad60er: Hingehen!
Und unsere Bitte an alle grad60er: wühlt doch mal in alten Fotokisten. Vielleicht habt ihr ja ein Foto für uns alle.
Am Anfang des Artikels steht “Werbung unbeauftragt”, das heißt, dass dieser Artikel ohne Beeinflussung und Bezahlung geschrieben wurde. Warum der Vermerk trotzdem dort steht, erfahrt ihr auf unserer Seite “Transparenz”.